Roberts Kolumne

Roberts Kolumne ist eine Kolumne im klassischen Sinne, mit der Möglichkeit, „Leserbriefe“ zu hinterlassen: Definitiv subjektiv, sanft satirisch und gerne auch mal populistisch.

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Erste Löcher im Netz 2.0

Eingestellt am 07. September 2006 um 18:45 Uhr » Netz-Notizen

Während mancherorts immer noch „die zweite Version des Webs“, Minorrelease 0, entdeckt und gefeiert wird, zeigen sich andererorts bereits die ersten Löcher, nicht immer notdürftig geflickt. Was am neuen alten Netz wirklich neu sein soll, fragt sich nicht nur der Erfinder des WWW, der das ganze sogar als nutzloses Blabla abkanzelt, sondern auch unser Autor, angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung der Dienste. Es steht auf jeden Fall fest, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Privatsphäre mehr denn je ausgesprochen wichtig und notwendig ist.

Kalter Kaffee: Web 2.0

Als charakteristisch für das Netz 2.0 gelten Weblogs und Wikis, soziale Netze und nennen wir es mal „Mitmachseiten“ (Youtube, Flickr, um die bekanntesten zu nennen). Vergleicht man allerdings die Entstehungsdaten dieser Technologien mit dem Auftauchen des Buzzwords „Web 2.0“ bleibt automatisch die Frage im Raum: Was ist daran so neu? Diese Möglichkeiten werden auch gerne als „Demokratisierung des WWW“ bezeichnet, weil die Nutzer nicht mehr reine Konsumenten, sondern auf einmal auch Produzenten sind; die Fernsehbranche soll diese veränderte Mentalität angeblich bereits merken. Fakt ist allerdings, dass das WWW und die Kerntechnologien, auf denen es basiert, von Anfang an zutiefst demokratisch konzipiert worden sind; das Hypertext Transfer Protocol, kurz HTTP, unterstütz seit seiner Erfindung nicht nur Befehle, um Inhalte anzufordern, sondern auch zum Veröffentlichen. Dies soll ganz im Sinne des „Peer Reviews“ vorgesehen gewesen sein. Laut dem Telepolis-Artikel "Web 2.0 ist nutzloses Blabla, das niemand erklären kann" (Zitat Tim Berners-Lee, Erfinder des WWW), begann die Zentralisierung der Inhalte erst, nachdem Medienunternehmen das kommerzielle Potenzial des Netzes entdeckten und in altbekannter Sender-Manier den Nutzer zum Konsumenten degradierten. Insofern gehen Weblogs und Wikis „back to the roots“.

Extrovertiert oder Exhibitionist?

Aber nicht alles ist Gold, was glänzt: Die zweite Sau des neuen alten Netzes, die durchs „globale Dorf“ (ein Begriff, den mancher vielleicht schon für tot geglaubt hat) getrieben wird, hört auf den Namen soziales Netz, hinter dem sich das Prinzip „ich habe keine richtigen Freunde, davon aber viele und weltweit und jeder kann es sehen“ verbirgt. Mittels entsprechender Dienste kann man hier im Netz seinen Freundeskreis virtuell erweitern und zusammen mit dem reellen verknüpfen. Je nach Plattform gibt man dabei mehr oder weniger große Teile seiner Privatsphäre nicht nur an den Betreiber, sondern auch an die ganze Welt preis. Das passt übrigens ebenfalls zum globalen Dorf: Jeder kennt und kann das Getratsche nachvollziehen. So, wie im Oldschool-Raum-Zeit-Dorf auch der Dorfpolizist vom Getratsche mitbekommt, sind dies in der virtuellen Welt zunehmend Geheimdienste. Gegenüber Getratsche lassen sich Webseiten viel besser maschinell überwachen und deren Inhalte verarbeiten.

Allerdings ist die gleichzeitige Anwesenheit in zwei Welten nicht unproblematisch: In den meisten Fällen wird die reelle Identität auf die virtuelle abgebildet. Dabei besteht immer die Möglichkeit, sich eine Maske überzuziehen oder im virtuellen Busch zu verstecken, was im Sinne der Wahrung der eigenen Privatsphäre häufig sogar praktikabel und angebracht ist. Soziale Netzwerke machen es allerdings möglich, auch die Gegenrichtung zu gehen, d.h. von einer virtuellen auf eine reelle Identität zu schließen. Den virtuellen Klospruch, den man mit 15 an eine Blogwand gekritzelt hat, kann der Personalchef nach dem Studium immer noch lesen. Aber auch „Identitätsklau“ bekommt damit eine ganz andere Dimension und Bedeutung, weil es plötzlich viel einfacher auch in der Realität durchzuführen (z.B. Social-Engineering) ist. Und schließlich gibt es eines zu bedenken: Man gibt den neuen Diensten, die bislang größtenteils ohne Werbung auskommen sehr viel von sich preis. Diese Firmen werden irgendwann Geld verdienen müssen und verfügen dabei über prall gefüllte Kundendatenbanken mit allem, was das Marketingherz begehrt.

Ein Schlusswort

Was bleibt, ist der überlegte Umgang mit der eigenen Privatsphäre, aber auch der eigenen Meinung. Medienkompetenz, die man im Zusammenhang mit Fernsehen, Zeitung oder dem Gespräch auf der Straße gewonnen hat, darf man im Internet nicht einfach über Bord werfen, schließlich hat das Netz 2.0 bereits Löcher.


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